ADHS bei Frauen: Hype oder haben das jetzt alle?

Alle | 4. August 2025

Warum wir über ADHS bei Frauen reden müssen

Als ich anfing über meine Neurodiversität zu sprechen, hörte ich Sätze wie "achja, so geht es mir auch oft. Ich bin auch überfordert, dünnhäutig, vergesslich... dann hätten es ja irgendwie alle.

Wenig hilfreich. Als ich vor 2 Jahren ein Erstgespräch mit einer Klientin in der Klinik führte, erzählte sie, was alles ihre Herausforderungen auf der Arbeit sind:

Sie könne nicht aufhören, arbeite immer bis zur Erschöpfung. Sie platze in Meetings oft heraus, manchmal verletze sie dabei andere. Weil sie es nicht aushält, wenn sich Diskussionen ewig hinziehen. Sie sei total impulsiv und könne ihre Emotionen fast nicht steuern. Alles platze so aus ihr heraus. 

Gleichzeitig berichtete sie von einer übewundenen Alkoholsucht, die sich bei ihr jetzt aus Sport und Shopping verlagert hatte und noch einiges mehr und ich dachte nur "das könnte ich sein". Wie oft habe ich in Teammeetings die Geduld verloren, meine Meinung dazwischengerufen, die Wahrheit herausgeschleudert. Nur mit ADHS habe ich mich ganz sicher nicht in Verbindung gebracht. Das waren die zappeligen Jungs.

Was ist ADHS überhaupt?

Mehr als nur Konzentrationsschwäche

ADHS ist keine reine Konzentrationsstörung. Es geht um viel mehr: Impulsivität, emotionale Regulation, Reizverarbeitung, innere Unruhe.
Und es sieht bei Frauen oft ganz anders aus als bei dem klassischen Bild vom „zappeligen Jungen“.
Mein ganzes Leben dachte ich zum Beispiel…

Ich bin zu sprunghaft
Zu launisch
Kann nix zu Ende bringen
Bin ein Spielverderber, wenn ich Parties schlagartig verlassen wollte
Zu ungeduldig, wenn ich nichts zu essen bekomme. Jetzt. Essen. Hier!
Zu anstrengend mit meinen wechselnden Stimmungen
Zu unaufmerksam, weil ich die Gespräche am Nebentisch mithöre
Zu neugierig.
Zu empfindlich, wenn im Großraumbüro telefoniert, geredet, Kaffee durch Strohhalme geschlürft wird.
Zu empfindlich, wenn Musik zu laut ist.
Ich ertrage es nicht, wenn jemand zu laut kaut oder trinkt.
Zu schlecht strukturiert, weil sich zu viele To-Dos auf Zetteln verteilten.
Zu unorganisiert, weil ich grundsätzlich auf den letzten Drücker alles erledigte…zu spät kam

Ach, so vieles war ich ZU…

Seit längerer Zeit weiß ich, womit zu viele Frauen in meinem Alter struggeln: nicht diagnostiziertes ADHS.
Kein Hype. Sondern eine Erklärung für all dein „zu…"

Und besonders fatal, weil es in den Wechseljahren schlimmer wird – und ein Burnout oft der letzte Exit ist

ADHS bei Frauen: Kein Hype, sondern eine andere Realität

Stärken, die oft übersehen werden

Weil wir halt auch:

  • Verdammt kreativ sind.

  • Uns in Sachen richtig verlieren können und dann nicht aufhören. Oft bis zur Erschöpfung.

  • Weil unser Gehirn einfach andere Bedürfnisse hat, Stichwort Dopamin.

Wir sind oft hochsensibel, schnell begeistert, wahnsinnig empathisch und denken vernetzt.
Wir sehen Verbindungen, wo andere nur Chaos sehen. Wir sind intuitiv, wach und tief.
Aber wir leben in einer Welt, die auf lineares, diszipliniertes, gleichförmiges Funktionieren ausgerichtet ist – und genau da beginnt der Schmerz.

Denn was wir können, fällt oft nicht unter das, was „gilt“.
Und was uns schwerfällt, wird als Schwäche ausgelegt.

Ich könnte noch so viele Vorzüge aufzählen.

ADHS und Konzentration: Du weißt, was zu tun ist, aber nicht, wie

Funktionieren nach außen – Chaos im Kopf

Wenn du ADHS hast, weißt du genau, was zu tun ist – nur nicht, wie du anfangen sollst. Oder womit.
Oft fangen wir etwas an und verlieren den Faden, weil etwas anderes dazwischenkommt.

Nach außen funktionierst du wunderbar, innerlich hast du dich längst verloren.
Und meistens ist der ganze Leistungsdruck verbunden mit Schuldgefühlen und einer ständigen, chronischen Überforderung.
Weil du eben NIE FERTIG BIST.

Das führt dann dazu, dass Frauen sich faul, nicht gut genug oder irgendwie nicht richtig fühlen.

Und oft ist da diese Frage: Wieso krieg ich mein Leben nicht einfach auf die Reihe?
Verständnislose Partner oder Freundinnen, die meist mit guten Tipps und Ratschlägen aus „ihrer Welt“ aufwarten.
Und du hast das Gefühl, keiner versteht dich (was meist auch stimmt).


Reizüberflutung bei ADHS – warum du nicht übertreibst


Es ist ein ständiger Kampf mit den Alltagsdingen, wo andere sagen: „Wo ist dein Problem?“

„Stell dich nicht so an.“
„Ist doch gar nicht so laut.“
„Andere schaffen das auch.“

Reizüberflutung bei ADHS ist real.
Und sie ist nicht „Empfindlichkeit“ – sondern ein neurologisches Phänomen.
ADHS-Gehirne reagieren anders auf Reize.
Und das kann zu einer kompletten Überforderung führen – innerlich und äußerlich.
Du bist nicht falsch, weil dir alles zu viel wird.

Und das, obwohl du gleichzeitig sehr reflektiert, meistens total kreativ und empathisch bist.


ADHS und Wechseljahre

Was passiert in den Wechseljahren?

Ich weiß, dass ADHS-Symptome mit den Wechseljahren stärker werden.
Ich habe es am eigenen Leib erlebt und ich habe lernen müssen, mich zu regulieren.

Und das hat Gründe:
Wenn der Östrogenspiegel sinkt, wirkt sich das direkt auf die Botenstoffe im Gehirn aus – darunter auch Dopamin.
Und genau das brauchen ADHS-Gehirne, um in Balance zu bleiben.
Weniger Östrogen bedeutet also oft auch: weniger Fokus, mehr Reizbarkeit, mehr emotionale Schwankungen.

Typische ADHS-Symptome können sich in den Wechseljahren verstärken:

  • Konzentrationsprobleme

  • Reizüberflutung und emotionale Überforderung

  • Stimmungsschwankungen

  • Impulsives Verhalten

  • Schlafprobleme

  • Heißhungerattacken

Viele Frauen denken zuerst an Burnout, an Depression oder einfach „Hormonchaos“.
Aber manchmal steckt da ein bisher unentdecktes ADHS dahinter – das sich jetzt, durch die hormonelle Veränderung, zum ersten Mal so richtig zeigt.

ADHS verstehen - auch ohne Diagnose

Ich brauche ehrlich gesagt kein Label, keine Diagnose.
Es geht darum zu verstehen, warum ich so bin, wie ich bin – und vor allem, was ich ändern kann an den Dingen, die mich einschränken.

Ich weiß jetzt, wie ich mich:

  • Strukturieren kann

  • Ellenlange To-Do-Listen vermeide

  • Mich besser konzentriere

  • Erschöpfung vermeide bzw. mich schnell erhole

  • Besser schlafe

Ich weiß, dass ADHS nicht nur was neurologisch Vererbtes ist, wie meine Mutter in der Apothekenumschau und im Spiegel gelesen hat.
Und ich brauche kein Ritalin.

Und weil ich mich selbst seit Jahren erlebe, und inzwischen klarer, ruhiger, fokussierter, besser drauf binbesser schlafe, keine Heißhungerattacken mehr habe – kann ich dir genau hier helfen.

Denn fast alle meine Klientinnen haben eine Diagnose oder zumindest einen Verdacht. Und sind dankbar für meine fundierte Begleitung. Sie fühlen die Erleichterung und die neue Leichtigkeit.

Alltag mit ADHS: Was dir wirklich hilft, ohne überfordert zu sein

Du bist gut. Du bist richtig.
Du brauchst nicht zwingend Medikamente.
Die richtigen Vitamine und Nährstoffe, Regulierung für das Nervensystem und eine gute, kompetente Begleitung.

Du brauchst:

  • Weniger To-Do-Listen

  • Menschen, die dich verstehen und wissen, wie ADHS funktioniert

  • Menschen, die wissen, wie das Nervensystem arbeitet

  • Eine Struktur, die für dich machbar ist

  • Strategien, wie du mit deiner Impulsivität, der Scham und der Erschöpfung umgehst


Und jetzt?

Wenn du dich in diesem Text wiedererkennst: Du bist nicht allein.
Vielleicht magst du ihn an jemanden weiterleiten, der oder die das brauchen könnte.

Weil es alles zusammenfällt: Wechseljahre, Burnout und ADHS.

Oder du schreibst mir – wenn du Fragen hast, einen Verdacht oder einfach jemanden brauchst, der dich versteht.


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